Applaus Potsdam

Sabine Kachel

256 Farben & 64 Triplets - Das Rauschen der Elemnetarteilchen versus dem menschlichen Streben nach Perfektion

Das Thema: Die Optinierung des Menschen - Das Ende der Individualität

"Sicherlich wird die Existenz genetisch verbesserter Menschen für die nicht verbesserten große soziale und politische Probleme aufwerfen." Stephen Hawking (1)

Im 20. Jh. wird die Identität des Menschen zunehmend durch ein artifizielles, imaginäres, medial inszeniertes Bild vom (ästhetisch) perfekten Menschen bestimmt. Dieses scheinbare Ideal lässt den eigenen Körper als unzureichend erscheinen und impliziert die Aufforderung, ihm mittels Fitnessindustrie und Chirurgie nahe zu kommen. Der Körper wird umgeformt zum Träger des Bildes und selbst zum Kunstobjekt.
Die Gentechnologie ermöglicht zukünftig noch viel tiefgreifendere Veränderungen, eine beinahe grenzenlose Modellierbarkeit des Individuums und eine optimale Annäherung an die utopische Vorlage. Die Zufälligkeit des menschlichen Äußeren - das Muster der Natur, die Natürlichkeit des Menschen - wird noch vor der Geburt des Menschen mit dem perfekten Bild überlagert.
Das Klonen ist Ausdruck des Begehrens, ein Ebenbild zu schaffen. Die Redublikation eines Lebewesens basiert auf "dem Verlangen nach der Kopie, der Vermehrung von Bildern, der Verdopplung und Speicherung des Perfekten, schließlich der Auslöschung des Originals." (2)
Mit der durch diese Entwicklung zunehmenden Uniformität werden Begriffe wie Authentizität, Selbstwertgefühl und Selbstbestimmung fragwürdig. Im posthumanen 21.Jh. verstärkt sich die Dehumanisierung und die Gefahr einer neuen ästhetischen Eugenik.

Das Projekt: Die Magnetwand

"Die Wissenschaft entwirft unter Einfluss dieses Zählers [des Computers] ein Weltbild, das wie ein Mosaik aus zählbaren Steinchen ("calculi") zusammengesetzt ist, und zwar sowohl auf der Ebene der unbelebten Natur (Atompartikel) als auch auf jener der belebten (Gene). Auch die Gesellschaft wird als ein Mosaik gesehen, innerhalb dessen sich die Bausteinchen (Individuen) nach ausrechenbaren Regeln miteinander verbinden und voneinander lösen." Vilém Flusser (3)

Die Installation ist ein Versuch, die Entwicklungen im Bereich der Gentechnologie mit denen in der Bildenden Kunst in Beziehung zu setzen, unterschiedliche Arten von Wechselwirkungen deutlich werden zu lassen, sowie persönliche und soziale Denkanstöße zu geben.
Als Ausgangspunkt dienten als kleinster gemeinsamer Nenner die diskreten Einheiten Atom, Gen, und Pixel. Die entstandene, mosaikartige Magnetwand besteht aus 4096 einzelnen, magnetischen Bausteinen, die sowohl ein Vielfaches der 64 Tripletts, der Kodierungseinheiten der DNA, als auch des aus 256 Farben bestehenden Farbraumes darstellen.
Der Besucher ist aufgefordert, die Standorte der einzelnen Bildpunkte zu verändern. Durch diese Interaktion "mutiert" das Bild und nähert sich aufgrund der verschiedenen, aufeinander prallenden Ordnungssysteme der Besucher einem Zustand der völligen Auflösung (Entropie).
Der neben der Magnetwand ausliegende Textfächer behandelt je Seite einen in sich abgeschlossenen und allgemein verständlichen Unterbereich des Themas. Diese Textbausteine sind zwar durch die Hintergrundfarben logisch geordnet, jedoch nicht chronologisch gekennzeichnet. Sie ermöglichen dem Besucher ein nonlineares Rezipieren.
Durch das Zusammenspiel von manuellem Tätigsein und ästhetischer Kreativität bei der Gestaltung des Bildes einerseits und der geistigen Auseinandersetzung mit den ausgewählten Thementafeln andererseits, wird dem Besucher die Möglichkeit eröffnet, sich seiner eigenen Verantwortung für das Projekt und im übertragenen Sinn für die Genforschung (und damit einhergehenden Entindividualisierung) mit ihrer Tragweite an künftigen gesellschaftlichen und sozialen Veränderungen, bewusst zu werden. Seine Entscheidungen an der Magnettafel haben kaum zu widerrufende Folgen - hat er einige Steine versetzt, wird er aufgrund der vorhandenen Fülle, diese nur schwer wieder auffinden und zurücksetzen können. Die Mutation nimmt ihren Lauf.

Zitate
1 Hawking, Stephen. Zitiert in: Wade, Nicholas: Das Genom-Projekt und die Neue Medizin. Berlin: Siedler Verlag (2001), S. 203
2 Mersch, Dieter: Körper/Spiegel Bilder. Imagines des öffentlichen Selbst. IABLIS, Jahrbuch für europäische Prozesse, Jg. 2003: Öffentlichkeit als Bühne: Kontaminationen. Heidelberg: Manutius Verlag (2003). Unter: http://www.iablis.de/iablis_t/2003/merschk.htm
3 Flusser, Vilém: Die Schrift: Hat Schreiben Zukunft?. Göttingen: Verlag European Photography (1992) S. 29f


zurück

letzte Änderungen: 30.10.2006 13:19