Applaus Potsdam
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Pressemeldung

PNN Spezial: Kultur, 14.10.2006

Auf vergessener Bühne

Die Hochschulen haben das alte Theater für eine Ausstellung von Abschlussarbeiten wiederbelebt

Jan Kixmüller

So ungefähr muss es gewesen sein, einst ins Potsdamer Theater zu gehen. Durch die Zimmerstraße mit ihren klassizistischen Bauten schlendern, hier wo Potsdam ein wenig so aussieht wie eine kleine Kurstadt in Böhmen, besonders an einem nebligen Nachmittag. Das ehrwürdige Portal des alten Theatergebäudes wirkt verlassen, Farbe blättert ab, schmiedeeiserne Laternen erinnern an längst vergangene Tage. Plötzlich, dicht vor der Tür, ertönt Applaus. Als wäre die Vorstellung gerade vorbei und das Klatschen würde bis auf die Straße hinaus dringen.

Doch Theater wird hier nicht mehr gespielt. Potsdams neues Theater liegt nun auf der anderen Seite der Stadt. Der „Applaus“ ist künstlich, er gehört zu der gleichnamigen Ausstellung, die Abschlussarbeiten von Design-Studierenden der Fachhochschule und ihren Kommilitonen des Studiengangs Europäische Medienwissenschaften der Universität zeigt. Die Studierenden haben den Ort für zwei Tage aus seinem Dornröschenschlaf geholt. Die haushohen Werkstatträume mit ihren geweißelten Ziegelwänden erzählen fast vergessene Geschichten. „Bitte Ruhe: Vorstellung!“ steht an einer Tür, von den hohen Decken hängen noch Lastenzüge, an den Wänden riesige Sicherungskästen. Überall Theaterluft, dieser Geruch, der sich kaum beschreiben lässt. An einer anderen Tür eine Anweisung aus dem Jahre 1996: Feierlichkeiten und Alkoholkonsum in der Arbeitszeit verbieten sich von selbst, pro Tag und Person erlaubt sei „ein Glas Sekt und eine Flasche ...“, hier ist die Anweisung abgerissen.

Dazwischen Dinge, die eigentlich gar nicht hier her gehören. Etwa das große Kruzifix in der Lounge, oder die vielen Bildschirme, auf denen Zahlen flimmern – Nummern, mit denen man die Werke ihren Künstlern zuordnen kann. Immer wieder führen Türen in Nebenräume, in denen kleine Installationen zu sehen sind oder auf Bildschirmen Dokumentarfilme laufen. Etwa „Wohnzimmer am Tresen“ (Stefanie Rahn) über das Leben in einer Eckkneipe. Die Studierenden bespielen den geschichtsträchtigen Ort mit ihren Arbeiten wie Schauspieler eine Bühne.

Ein Durchgang führt in einen dunklen Saal, in dem Tische aufgestellt sind. Einzige Lichter sind kleine Leselampen an den Tischen, hier können Besucher in den schriftlichen Abschlussarbeiten der Studierenden schmökern. Wieder blickt man wie auf eine Bühne. Wenn man sich von dem ungewohnten Bild losreißt, kann man hineingehen. Man betritt sozusagen selbst die Bühne, wird Teil der Inszenierung, setzt sich an einen der Tische und beginnt in der Ruhe und Versenkung eines Lesesaals in einer Diplomarbeit über die Berliner Luisenstadt zu schmökern. Bis man von jemandem aus der Konzentration gerissen wird, der sich die Adresse des Medienwissenschaftlers notieren will, der die Arbeit verfasst hat.

Das nämlich ist eine weitere Idee der ungewöhnlichen Ausstellung, die Studierende der FH und Universität zusammen ermöglicht haben. Gleich einer Messe können die Absolventen ihre Ideen der Öffentlichkeit und Wirtschaft präsentieren. Ein Get-together für den Nachwuchs, den die Hochschulen nicht einfach sang- und klanglos in das Leben nach dem Studium entlassen möchten. Und so liegen in dem Labyrinth von Räumen neben den Pappkartons für Pralinen, Stadtplänen für Kinder und Plakatentwürfen oft auch die Visitenkarten der jungen Menschen, die nun ins Berufsleben starten.

Inspiriert von der Idee, diesen Ort aus der Versenkung zu holen, kommt Potsdams OB Jann Jakobs dann geradezu ins Schwärmen. Ein idealer Ort für Hochschulen und Wissenschaft, sich im Zentrum zu präsentieren, meint er. Er hoffe, dass die Schlösserstiftung, die das Areal zu kaufen gedenkt, den Ort auch weiterhin für solche Veranstaltungen offen lasse.
Abgesehen von all den kreativen Ideen und überraschenden Einblicken dieser Ausstellung: Allein der ungewöhnliche Ort lohnt den Weg. Unbedingt hingehen!


letzte Änderungen: 8.6.2007 11:11